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HAMBURG - LE HAVRE

Minuten, dann Sekunden … der Countdown läuft. Endlich … juchhuh, unser 28 000 t Frachtschiff, die Grande Francia, wühlt sich aus dem Hamburger Hafen, vorbei am Michel, dem Riesenrad des Doms, der Elbphilharmonie, Blankenese und Willkommhöft – alles in unwirklicher Briefmarkengröße, aus einer Höhe von über dreißig Metern betrachtet. Die Maschinen dröhnen, mein Herz röhrt angesichts der Spielzeugwelt, dem leichten Schlingern des Schiffs, den Abschiedstelefonaten – es weiß nicht, was tun vor Lust, Staunen, Neugier, Schiss und Aufregung pur. Zweiter Akt: Bezug unserer Kabine. Wow, zwei Zimmer. Genial. Eine Eigner-Kabine ist unsere. Eine Überraschung, denn wir haben nur Außenkabine gebucht. Fein. Und nun? Schwätzchen mit den 6 anderen Passagieren beim Dinner. Echt nette Leute. Fleischreiche Nahrung, serviert im 3-Gänge Menü, incl. eine Flasche Rotwein für jeden. Die kleine Version.

Guuut geschlafen. Dann Spazierrunde auf dem 213 m langen und 30 m breiten Schiff. Besuch beim MUSTER, dem Kaptain, auf seiner Brücke. Ein toller Typ, Italiener durch und durch. Voller Temperament und offen für unsere Wünsche, Fragen und Probleme. Wahnsinn, diese Technik zum Manövrieren. Besonders die Einfahrt in die Schleusen der Hafengebiete Antwerpen und Le Havre. Zentimeterarbeit. Ein Wahnsinn, unser ganzer Trip … aber hola …. soooo lebendig. Wir fühlen uns – noch – pudelwohl, haben viel Spaß. Ihr braucht nur die Fotos anzuschauen, wo ich Walther küsse oder in die Röhre gucke.

Wie wird es wohl auf dem Atlantik? Welle rauf und Welle runter? Das macht munter oder den Magen rebellisch. Nicht voraussehbar. Nicht planbar.

Es ist jetzt 12.30 Uhr Ortszeit Le Havre, Frankreich. Die letzten Ralley-Wagen der Paris-Dhakar-Ralley für Argentinien werden verladen. Der Kaptain hat die Order, Volldampf zu geben und auf direktem Wege nach Südamerika zu dampfen – ohne Zwischenstopp in Dhakar. Bedeutet: Ab morgen nur noch offene See.

Bis dahin „Schiff ahoi“ auf Neptuns Wogen. Hoffentlich ist er uns wohlgesonnen. Wär schade um das köstliche Essen.

 

ÜBERFAHRT EUROPA - SÜDAMERIKA


WELLENREITEN
Irgendwo zwischen Europa und Südamerika … zwischen Le Havre und Vittoria … Unser Schiff … wir schauen aus 25 Meter Höhe aus unserer Kabine auf dem endlosen Ozean. Ein gigantisches Erlebnis. Wellen … Wasser … 13Tage lang … 18.720 Minuten. 1.123.2000 Sekunden … unter uns. Neben uns. Vor und hinter uns.

Wellen – sprunghaft, weiß schäumend, träge, kräuselnd, sanft oder sturmgepeitscht. Wolken – geballt, kuglig, weiß, grau bis gewitterschwarz. Fliegende Fische, Delphine, ein Hammerhai und paddelnde Schildkrötenfamilien lassen Ferngläser, Kameras und Augen leuchten. Echte Highlights: Sonnenuntergänge, jeden Tag in anderem Design, von kugelrund und leuchtend gold, orange oder rot bis mystisch grau umschleiert. Nicht zu vergessen die sternenklaren Nächte mit Sternschnuppen und silbrigen Mondstrahlen, die Schiff und Meer irreal wirken lassen.

Unsere Mägen zeigen sich erfreulich flexibel, auch bei heftigstem Wellenreiten mit Windstärken von über vierzig Knoten. Frühstück ist um sieben Uhr erwünscht, doch nach einem halbherzigen Versuch geben alle auf. Mittagessen um elf Uhr und Dinner ist um sechs. Fisch und Fleisch in unterschiedlichen Variationen füllen drei Teller und Bäuche pro Mahlzeit in unterschiedlichen geschmacklichen Kreationen. Pasta fehlt nie. Kein Wunder, Grimaldi ist halt eine italienische Line. Prognose: aus Kerlen werden echte Pfunds-Kerle, aus uns Ladies Tönnchen. Wahrscheinlich muss uns die Crew nach geplanten 28 Tagen vom Schiff herunterrollen – es sei denn, man nutzt den etwas maroden Stepper, das kaputte Fahrrad, das halbe Ruderboot oder das intakte Laufband im sogenannten Gymnasium. Die Alternativen? 219 Meter vom Bug zum Heck hin und her, oder die Eisentreppe rauf und runter zwischen Stockwerk 1 bis 12.

Unsere Stimmung ist bestens. Unser Captain – tituliert mit Muster – und die Crew sind ein Glücksgriff. Eine Geburtstagsfeier und ein Special Dinner mit einem Überraschungs-Barbecue und fetziger Musik unter klarem Nachthimmel sorgen für Ausgelassenheit. Der Nachtisch, Apfelkuchen auf rumänische Art, vom Chief-Cook mundet süß und köstlich.

Was gibt es dazu noch zu sagen – außer „WOW.“ „Genial“ oder „Wie cool ist das denn?“


SÜDAMERIKA 1 - VITTORIA

Juchhuh … Die Küste Südamerika wird sichtbar, rückt näher und näher. Welch ein Gefühl. Eine Mixtur aus Staunen, Vorfreude, Ungläubigkeit und Dankbarkeit erfüllt uns. Wir haben es geschafft, werden noch heute in Brasilien - im Hafen von VITTORIA - anlegen, den ersten Fuß auf den uns fremden Kontinent setzen. Das teilweise chaotische Kopfkino der letzten Monate mit rasenden Gedankenkarussells voller Erwartungen und Vorstellungen, Hoffnungen und Ängsten werden konfrontiert mit der Realität - greifbar, fühlbar und ruchbar. Was erwartet uns?

Steigt ein. Fahrt mit uns … heute bis VITTORIA.


SÜDAMERIKA 2 - VITTORIA BIS ARGENTINIEN

Die Hitze der letzten Tage weicht einer mystisch magischen Welt. Wir tauchen ein in die stürmisch regnerische Wolkenwelt vor RIO de Janeiro. Die weltberühmte Strandmeile, die Copacabana, liegt irgendwo wolkenverschleiert, doch der Zuckerhut zeigt sich uns – wenn auch mit dunkler Nebelmütze. Unser Schiff sucht sich seinen wellenschäumenden Weg in der hereinbrechenden Abenddämmerung durch das eher spärlich gesäte Bojen-Labyrinth. Die ersten Lichter der Millionenstadt beginnen zu funkeln, Flugzeuge blinken in der Einflugschneise des Airports im Minutentakt über unseren Köpfen, unser Schlepperboot strahlt in vollem Scheinwerferglanz. Und mit dem Fernglas erhaschen wir sogar einen Blick auf die allbekannte Christusstatue in vollem Strahlen Outfit, hoch über der Stadt auf einem Berg. Auch unsere Augen strahlen – angesichts der pompösen Glitzerwelt, die uns umgibt.

GUTEN Morgen RIO

Die nächtlich geplante Abfahrt musste verschoben werden. Windstärke 9 hinderte uns. Zu unserem Glück. So können wir noch helle Augenblicke auf RIO genießen, was wir auch voll genießen.

Dann heißt es: WE ARE SAILING – zunächst Richtung SANTOS (noch in Brasilien). Es ist heiß und schwül, da Regenwaldnähe. Es ist Regenzeit …

Am nächsten Tag geht`s gen ARGENTINIEN in einen fantastischen Sonnenuntergang hinein …

Traumhaft schön.


SÜDAMERIKA 3 - CAMOANA GEN ZARATE

SOOO Grün . . .

Jetzt wird es richtig heiß. See und Fluss zeigen sich in einem erdfarbenen Design. Die azurblaue Zeit ist vorbei und damit jede Blauäugigkeit. Ab jetzt sehen wir grüüüün. Und freuen uns auf übermorgen: Dann heißt es „FROHE WEIHNACHTEN“ euch allen . . .


CHRISTMAS IN ZARATE

Weihnachten in Zarate, Argentinien. Endlich mal Landgang. Und das bei sonnigen 30 Grad. Viel weihnachtliches gibt es nicht zu sehen. Kaum Weihnachtsschmuck in den Fensterauslagen, kein Weihnachtsmarkt mit Glühpusch, keine leckeren Schokoladen-Weihnachtsmänner. Höchstens mal ein künstlicher Tannenbaum oder –zweig. Aber die Kauflust ist auch hier ungebremst. Eingepackt werden die Geschenke direkt vor der Ladentür. Doch im Park im Zentrum werden wir fündig: ein toller Baum unbekannten Namens schmückt sich extravagant und erstrahlt sogar zum Abend. Da wird es doch echt weihnachtlich ums Herz.

Tja, der Heiligabend hat es dann in sich mit kulinarischen Köstlichkeiten an Bord. Geplant war das Weihnachtsdinner auf Deck, doch Regen und Orkanwarnung trieb uns ins wasserdichte Innere des Schiffs. Das Essen war genial, dauerte Stunden. Dann trieb es uns raus. Die Nacht war feucht, nicht nur, was die Temperaturen betraf. Wir hatten echt Spaß, ein kühles Bier zur Feier des Abends in der Hand, auf der Hängematte schaukelnd, in fröhlicher Stimmung feierten wir, bis sich die Welt in einem sintflutartigen Orkan auflöste.

Es sind die letzten Tage an Bord. Am 28. Dezember heißt es:

„Bye Bye Grande Francia!“

Wir sind am Ende unserer Schiffsreise, landen in Montevideo in Uruguay.

Nach genau 38 Tagen und 80 Mal Pasta-Essen verlassen wir das Schiff.

 


Es sind die letzten Tage an Bord. Am 28. Dezember heißt es:

„Bye Bye Grande Francia!“

Wir sind am Ende unserer Schiffsreise, landen in Montevideo in Uruguay.

Nach genau 38 Tagen und 80 Mal Pasta-Essen verlassen wir das Schiff.



ARGENTINA

SAUCE GRANDE – LOS POCITOS – INSEL VALDEZ

Die Austernfischer von Los Pocitos, oder das 3-Gebäude-Dorf Cabo Raso … schon mal etwas davon gehört? Nein? Wie wär´s dann mit der Insula Loberia, einer Kolonie von Seelöwen? Auch nicht? Kein Wunder, denn wir sind am Ende der Welt, in Argentiniens Pampa, 2800 km südlich von Buenos Aires. Hier entdecken wir die neuste Mode, hüllen uns täglich ein in einen smarten Dress aus Windhosen mit Sand, Staub, schäumender Gischt oder selten (erst dreimal!) Regentropfen. Urgewalten – Stürme mit waagerecht brausenden Winden – rütteln nicht nur an Trusty, sondern mit ihrem Dauer Braus-und Pfeifton an Körper, Geist und Seele. Austernfischer im Wattenmeer, ein einsamer Heuler auf der Suche nach seiner Mamma, waagemutige Kletterkünste und Kraxeleien an Seilen einer 73 Meter hohen Steilküste hinunter zu den Seeelefanten, Felsklippen im Meer im grandiosen Sandwichdesign, Wasserpoole mit transparent schimmernden Seegurken, tennisballgroßen Eiern einer uns unbekannten Schneckenart und diverser Haiarten werden nur überboten von einer grandiosen Tierwelt. Ob Aug in Aug mit 4000 kg schweren Seeelefanten auf der Insula Valdez oder dem flinken lustigen Gürteltier, Ohr an Ohr mit den brüllgewaltigen Seelöwen mit ihren prächtigen Mähnen und Machogehabe, schwimmenden Calamares, wasserspeiende Muscheln, Riesenkrebse, Skorpione … wir kommen am Meer aus dem Staunen nicht heraus. Und landeinwärts? Endlose Pisten durch die Pampa! Langweilig? Keinesfalls. Wettläufe mit Straußen, Guanacos, einem einsamen Gaucho auf seinem galoppierendem Pferd oder den Vögeln – zartgefiedert bis gigantische Flügelmaße – exotischen Schmetterlingen … die Natur zeigt sich immer anders. Und die Temperaturen halten uns ständig in Atem oder nehmen uns schlichtweg die Luft. Gestern Mittag waren es 38 Grad Celsius, gestern Abend um 19 Uhr nur 16 Grad. Mal schlafen wir bei schweißtreibenden 30 Grad, dann wieder bei 14 Grad mit Windstärke 9. Die Piste am Meer entlang? Rauf und runter, das macht munter, oder? Falsch! Eher schlapp und durstig. Der Dauersturm, Sonne und Hitze lassen uns schrumpeln wie Weintrauben. Sind auf dem besten Wege uns zu Rosinen zu mutieren. Macht ja nichts. Rosinen sind bekanntlich viel süßer …


ARGENTINA

INSULA VALDEZ – NINFAZ – PUNTA LOBOS

Zunächst Staub, Sand und Sturm pur auf der Piste 1. Sich drehend, windend, kreisend und peitschend. Angriffslustig an Trusty´s überaus zartem Teint kratzend, trommelnd, manipulierend. Sand- und Staubkörner sorgen millionenfach statt für ein Peeling für eine Dauermaske (auch bei uns) und Verschmutzung von Trusty´s Luftfilters. Plötzlich wird er langsam, doch Hilfe ist in 10 km entfernter Sicht in der Stadt Trelew in der Lavado-Werkstatt. Daniel, ein Meister der Lehrenführung und Entstaubung richtet Ventile, erneuert Ventildeckeldichtung und Dieselfilter und bringt den Luftfilter per Luftdruck und dieselgetränktem Massagelappen wieder auf Hochglanz. Wieviel das gekostet hat? Nada – nichts. Ach doch … ein Bier. Einfach klasse. Danke, Daniel. Dann sprintet Trusty los wie ein hyperaktiver Bulle, auf gen Insel Valdez mit ihrer spektakulären Tierwelt. „Wow … Schnucki, guck mal: SEE-Löwen (hier Seewölfe genannt), SEE-Elefanten, und das hautnah.“ Ich SEEhe im Traum nur noch riesige Kulleraugen, neugierig, irritiert, wachsam oder akrobatische Flossenführungen, aufgerissene Mäuler, schlaftrunkene, sexbesessene oder kämpferische Posen. Dazu grunzt es, heult es, röhrt es und brüllt es, dass die Zäpfchen in den Mäulern nur so vibrieren. Wieviel wohl so ein Rachen-Zäpfchen wiegt bei einem 4000 kg Seeelefanten. Die Männchen – egal welcher SEE-Rasse zeigen einheitlich ein Machogehabe ohnegleichen. Fünfzehn Frauen für einen Seelöwen? Eher ein Scherz. Dreißig – darüber lässt sich reden. Übrigens heißt MACHO in der Übersetzung heißt MANN. Kein weiterer Kommentar dazu! Geradezu niedlich und possierlich im Vergleich zu diesen lebenden Fleischkolossen wirken die Pinguine mit ihrem lustigen Watschelgang. Frech und kiebig nervt Bobby, das Gürteltier. Kleines bunte Federvieh umflattert Walther´s Finger, kann sich seiner magnetischer Anziehungskraft nicht entziehen – oder ist es der Duft von Brot in seiner Hand? Eine Gattung dieser kleinen Vögel kann perfekt Töne aller Art imitieren. „Sogar von Auto-Alarmanlagen“, laut Aussage der Ranger. Nicht nur einmal täglich müssen sie irritierte Autobesitzer beruhigen. Neben diesen gefiederten Winzlingen wirken die Giant-Birds mit ihrer spektakulären Größe riesig, machen ihrem Namen alle Ehre.

Bei 38 Grad geht´s dann auf die Ruckelpiste gen Steilküste von NINFAZ. Dort schwinge ich mich mit Wackelbeinchen und verkrampften Kiefergelenken – nach dem Motto: Zähne zusammenbeißen! – 72 Meter per Seil, Freeclimbing und unfreiwilliger Rutschpartien hinunter zum schwarzen Rundsteinstrand, auf dem sich Seeelefanten verschiedener Generationen aalen. So hautnah mit diesen gigantischen Tieren, Aug in Aug mit tellergroßen Kulleraugen fühle ich mich winzig. Das Erlebnis ist unbeschreiblich. Also versuche ich gar nicht erst Worte dafür zu finden.

Ortswechsel! Wir befinden uns in der Bucht von PUNTA LOBOS. Bei Ebbe stürmen hier Familien mit Eimern und Haken bewaffnet ins Watt, stöbern in Prilen und kleine Lagunen nach Calamares, Krabben oder Miesmuscheln für das abendliche Feuer-Mahl. Natürlich mit lautstarker Musik aus Autoradios! Stille? In Südamerika? Definitiv ein Fremdwort. Der Kontinent pulsiert vor Musikalität, sei es aus menschlichen Kehlen oder dröhnenden Lautsprechern. Fast zu jeder Tages- und Nachtzeit. Zusammen mit röhrenden Motorbikes, Tuck Tucks oder im Stand tuckernden Automotoren und Dauerhupen ergibt dies ein äußerst exotisches Klang-Potpourri.


ARGENTINA

GEN CABO RASO – CAMERONES – COMODORE RIVADAVIA

Ein Baum … ? Ich glaub es kaum! Nach scheinbar ewigem Pampagras, Büschen, Gestrüppen in allen Größen und Farben endlich ein grüüüüner Baum mit …? Leider null Ahnung, ob Frucht, Nuss, Samenhülse. Danach wieder Pampa.

In Cabo Raso suchen wir vergebens Seelöwen am Strand. Stattdessen finden wir ein Schiffswrack, einen Bunker, Boote auf Rädern und eine etwas skurrile Campsite. Außerdem beutelt uns der Sturm derart, dass wir uns rückwärts gegen die Böen stemmen müssen, um überhaupt voran zu kommen. Ich klammere mich an Walther´s Arm, da ich bei meinem Gewicht vielleicht möwenleicht davonfliege. Wir geben auf, fahren weiter. Aber nicht lange. Da beschert uns das Universum supernette Kajakfahrer, die im Auto hockend, frustriert auf das Meer starren und sich Sturmnachlass erhoffen. Sie markieren in unsere Mapsme-App ein Lesezeichen am Ufer des nahegelegenen Reserva de Biosfera Patagonia Azul, (nur mit 4x4x zu erreichen). Es liegt gegenüber einer Mini-Insel – dem Seelöwenstammsitz dieser Region. Tja, wer sagt´s denn. Ein Glückstipp. Etliche Seelöwenfamilien erwarten uns – gelassen, irritiert, ängstlich oder genervt. Mit wachsamen Blick oder schlafend, posierend mit hochgereckter Nase und offenem Maul, still wie eine Statue oder sich unruhig wiegend, streitsüchtig miteinander kämpfend und brüllend … je nach Temperament. Wir lassen uns mit Trusty häuslich an ihrer Seite nieder und teilen uns den Schlafplatz. Unglaublich, aber wahr. Wir stehen nur ungefähr dreißig Meter von den Löwenkolossen entfernt und beobachten aus unserem Wohn- und Schlafzimmer ihr intimes tierisches Familienleben. Ihr Gebrüll, Gegrunze und Geschmatze vermischen sich mit Walther´s lauten Schnarchern und ich schlafe selig ein.

Löwengestärkt erreichen wir Camarones, ein schnuckeliger Ort am Meer mit ungewöhnlich breiten Straßen, kaufen ein im Auto-Service – einem der vielen Tante Emma Läden – gehen dann mit der Kamera auf Pinguinjagd. Echt witzig die Tierchen und ihre Posen.

Dann wird es idyllisch, danach fast magisch. Wir brettern die wellblechgespickte Ruta 1 mit fünfzehn bis fünfzig kmh entlang, je nach Schlaglochtiefen und Flussbettdurchquerung, lassen Baya Bustamante, den Wohn- und Lodgesitz von Mathias und Frau, hinter uns und öffnen jetzt sprichwörtlich das Tor zu einer anderen Welt: öffnen das erste Gatter von vielen folgenden. Bei einigen wird es echt seeehr knapp in der Breite. Jetzt wird es endlich abenteuerlicher. Die flache Pampaebene weicht erst sanften Hügeln, dann Tafelbergen. Sandpisten ersetzen Schotter, breite Wellbrettpisten verjüngen sich zu grabentiefen Gassen. Tagelang sehen wir kein Auto, nur einen Gaucho, Strauße, kleine Echsen, Guanacos und freilaufende Pferde. Vereinzelt ein Haus mit farbigem Dach, eine Wasserauffangstelle und Stuuurm. Tag und Nacht.

Dann plötzlich begegnen wir Senora Theresa mitten im Nirgendwo. Fazit: Sie lädt uns ein auf ihre Estancia (Farm) mit der bescheidenen Größe von 27 km⊃2;, drei Beachen, einer Gruppe uralter Baobab-Bäume, einem Deich mit einem Strandhaus und muschelgeschmückten Kaminöfen. Ach ja, beinahe hätte ich Feli und ihren Mann vergessen, die guten Seelen der Estancia. Feli kennt jedes Heilkraut, schnitt mir sofort ein Aloe-Vera-Blatt und betupft meine entzündeten Lippenbläschen. Die Einrichtung von Theresas beiden Häusern ist so einzigartig, bunt und geschmackvoll, dass ich denke: „Ich bin zuhause. Genial, ich bleibe.“ Unsere gemeinsame tolle Zeit krönen wir mit einem Bad im eiskalten stürmischen Meer. Wir haben bereits viele supernette Begegnung mit argentinischen Einheimischen erleben dürfen, auch ihre Gastfreundschaft, doch dieser Tag berührt mein Herz, bleibt einzigartig. Wieder auf Piste wird es stachelig: eine gemeine Distelfrucht sticht durch das Plastik meiner Crocs in meinen Zeh. Aua!

Nach Tagen auf der Piste, durchgerüttelt und frohen Herzens heizen wir bei satten 70 kmh (Walthers favorisierte dieselsparende Reisegeschwindigkeit) auf der asphaltierten Ruta 3 gen Süden, nach FEUERLAND, machen heut und morgen ordentlich Strecke. Bedeutet für uns 350 km pro Tag. So der Plan. Doch was passiert? Trusty´s Auspuffrohr hängt in den Seilen. Bedeutet: Auf zur Werkstatt in der nächsten Stadt, in Comodore Rivadavia, statt Gasgeben. Wie heißt es doch so schön? Das Leben geschieht, während man andere Pläne macht.


FEUERLAND oder TERRES DEL FUEGO

CHILE und ARGENTINIEN

Die LAGUNA AZUL liegt hinter uns, die chilenische Grenze befindet sich in Blickweite. Bester Laune fahren wir auf sie zu. Unser Enthusiasmus verwandelt sich in Unglauben, dann Sprachlosigkeit, schließlich in Frustration. Menschenschlangen und die Prognose einer 5-stündigen Wartezeit sind Fakten. Es ist Samstag, Grund für alle Shopping-Aktive aus Argentinien zu flüchten und Punta Arenas in Chile zu bevölkern. Dort sind Klamotten wohl um etliches preiswerter. Dumm gelaufen. Stichwort dumm. Dummstellen is saving time. Haben halt kein Wort spanisch verstanden, und schon hatten wir den bürokratischen Stress nach zwei Stunden hinter uns. Kein Beamter hatte Lust auf zeitraubende Gebärden-Sprachen, sich mit uns mit „Händen und Füßen“ zu unterhalten.

Juchhuh, nun geht´s ab nach Feuerland oder auch TIERRA del FUEGO genannt. Zunächst auf der chilenischen Seite per Fähre bei Puerto Espora. Unser Glücksgefühl katapultiert abgrundtief nach unten bei einem Preis von 65 Dollar für fünfzehn Minuten Fahrzeit. Was soll´s. Ist wie es ist. Straßen und Pisten warten und die Königspinguine im Park PINGUINE REY bei Onaissin. Klaro, die müssen wir sehen. Und sie uns. Dies ist der einzige Platz außer der Antarktis, wo man sie bestaunen kann. Sind riesig gegen die Kleinen von Valdez oder Camerone – die Magellan Pinguine. LAGO BLANCO ist unser nächstes Ziel. Eine grandiose Natur erwartet uns. Pampa ade! Bunte Blumenwiesen, Weideflächen, Wälder, Schafe und freilaufende Pferde juchheh. Ein „Wow“ jagt das andere. Teilweise wirkt die Landschaft wie aus einem mystischen Film. Wälder zeigen sich im bizarren Skelett-Outlook mit ihren hunderten abgestorbenen Bäumen. Tausende sind zerbrochen durch Sturm, Wind und Alter, klammern sich noch im freien Fall an ihre Nachbarn oder liegen chaotisch am Boden oder in Flüssen verstreut. Kaum ein lebender Baum lebt allein. Jeder hat irgendwelche „pflanzliche Untermieter“, steht in innigster Umarmung verschlungen mit dem nächsten Baum oder stemmt sich den bisswütig nagenden Bibern entgegen, die begeistert Dämme bauen. Feuerland-Dschungel taufen wir die Landschaft. Vom Feuer zum Wasser… Wäschewaschen am Lago Blanco ist angesagt. Walther tritt in Action, peinlich darauf achtend, dass sich keine Seifenblase in den See verirrt. Nach vier Tagen schwinden unsere kulinarischen Vorräte, nagt der Hunger an mir. Just in dem Moment biss eine Forelle in Walther´s Angelhaken, liegt wenig später frisch gebrutzelt auf dem Teller. Lecker. Bei der Einreise nach Chile wurden wir nämlich kontrolliert, da Früchte, Gemüse, Fleisch, Wurstwaren und Käse nicht eingeführt werden dürfen.

Nach einem letzten Sonnenbad am Lago Blanco meistern wir locker die Piste nach BUENAVISTA, der Chile-Argentinien Grenze. Man muss durch Chile, um nach USHUAIA zu gelangen, eines unserer Traumziele. Bekannt als die südlichste Stadt der Welt. Die Grenze passierten wir im Flug, zumindest die chilenische Seite. Dann wurd´s knapp. Zu knapp. Die Brücke über den Grenzfluss nach Argentinien war zehn Zentimeter zu schmal. Absolut unpassierbar. Und nun? Blieb nur der Fluss selbst. Aber wo genau? Einige Stellen waren mega schlammig. Die Argentinier warnten uns vor einer Überquerung, da niemand Trusty rausziehen könnte. Intuition war gefragt und ein Eisgang meinerseits durch den Fluss. Die Strömung und Wassertiefe eruierend. Bin fast blau angelaufen vor Kälteschock. Spontanhilfe: Whisky und ein warmer Ofen im Grenzoffice halfen.

Einen Tag später landeten wir in TOLHUIN. Ein buchstäblich süßer Ort. Tolle Häuschen in Holz. Bunt und fröhlich. Hier gibt es auch die bekannteste Bäckerei. Ein Tummelplatz für Süße wie uns. So lecker …


FEUERLAND

USHUAIA. Die südlichste Stadt der Welt

„Wow!“ und „Hallo ! Wir sind da! Haben es geschafft. Huraaah! Ihr fragt wo? In Ushuaia natürlich, der südlichsten Stadt der Welt – so vermarktet und gepriesen.“ Von hier aus geht´s nur auf dem Landweg noch gen Norden. Per Schiff allerdings lassen sich weitere südliche Gefilde erobern: die chilenische Stadt Port Williams oder die Antarktis und ihre Inseln: Drei Wochen für 15.000 Dollar. Ein Schnäppchen, oder? Wir befinden uns gerade im Nationalpark Tierra del Fuego, ein Paradies für Flora und Fauna. Exotische Vögel und heimische Bäume mit noch exotischeren Namen wie Lenga, Ňire, Canela und Pehuen bestechen durch in alle Himmelsrichtungen chaotisch gewachsenes Astwerk, schmarotzerhaften Pilzauswüchsen am Stamm und haarigen, teils mistelähnlichen Gewächsen in der Krone. Und dies vor einem Panorama von glasklarem türkisgrünem Wasser, strahlend blauem Himmel, schneebedeckten Gipfeln … und die Postkartenidylle ist garantiert.

Highlights touristischer Art toppen die Natur: die südlichste Bahn, die südlichste Post, das südlichste Restaurant, südlichste Rafting … In der auf Holzstegen gebauten Post am Arias Port(siehe Foto) im Nationalpark kaufe ich drei Ansichtskarten, lasse zwei davon für Deutschland frankieren. Außerdem werde ich stolze Besitzerin eines Magnet-Mini-Pinguins. Ich löhne einen Spottpreis für diese Kostbarkeiten von umgerechnet nur 17,50 €. Tja, Ushuaia ist teuer. Mega teuer. Geschäfte und Supermärkte boomen ihre Preise in schwindelnde Höhen. Für die Einheimischen ist dies ein Problem, für einige von ihnen kaum bezahlbar. Sie hausen in zusammengezimmerten Provisorien im Norden der Stadt, die Behausungen und Sträucher grau vom Staub der nahen Piste – fern ab jeder Stadtrundfahrt, aus den Augen der Touristen.

Wolkenbrüche mit heftigen Böen und Regenbögen wechseln in Minutenschnelle mit Sonnenschein. Egal, wir genießen nicht nur die Wunder, sondern auch die Launen der Natur. Mein heutiges persönliches Highlight: die zweistündige Kraxelei zum Gletscher Martial. Eine Spitzenleistung meiner auf dem Beifahrersitz verwöhnten Gelenke. Hab´s geschafft. Bin mega stolz. Jawohl. Immerhin war ich echt die Älteste am Berg (von denen, die mir begegnet sind). Unvergessliche Aussichten auf den südlichsten Zipfel der Welt waren die Belohnung. Allerdings nicht nur. Genial sind die Leckereien im Villa de Montaña, dem Cafe zu Fuße des Gletschers im traditionell stilgerechten Outfit. Nicht nur die Sweets schmecken oberlecker - besonders nach dem Hike – auch der Chef Maria und das Personal sind super nett und hilfreich. Nicht nur zu uns, nein, auch zu Trusty. Unser treuer Gefährte darf sich buchstäblich volllaufen lassen mit schmackhaften Leitungswasser. Walther mit einer Flasche Bier. Und ich darf ins Internet. Endlich mal ein schnelles, nach argentinischen Verhältnissen, um mein hungriges Facebook zu füttern. Trotzdem dauert es Stunden bis alles hochgeladen ist. Es wird spät, und wir übernachten hier vor Ort auf dem Parkplatz.

Am nächsten Morgen lacht die Sonne. Ich sitze bereits seit einer Stunde wieder am PC. Doch jetzt ist Schluss. Ich will raus aus der digitalen Welt, hinunter nach Ushuaia-City. Ready für neue Erlebnisse und Abenteuer und ein köstlichen Kaffee im Dublin Cafe in in der St. Martin Avenida, der Geschäftsstraße. Gesagt. Getan. In der Stadt grüßen uns die Pinguin-Schaufenster-Puppen in ihren teuren Outdoor-Klamotten. Coole Idee.

Zwei Tage später. „Gääähn.“ Halb verschlafen und fröstelnd katapultiere ich mich aus meinem kuschelwarmen Bett. Brrr, ist das kalt! Rollos hoch, ein Blick aus Trusty´s Fenster und … Ich traue meinen Augen nicht. Die Welt ist schneeweiß. Wie irre ist das denn? Es schneit. Und zwar nicht wenig. „Wow.“ Juchhuh, ich liebe Schnee. Das Thermometer zeigt satte 0 Grad Celsius. Kein Wunder, dass es schneit. Aber wir sind ja echt cool drauf. Der Frost peppt uns nur auf. Außerdem hilft ein Kälteschock bei der Erhaltung der Schönheit. Kalt altern wir langsamer.

Konsequenz des überraschenden Wintereinbruchs? Ich will nochmal zum Gletscher Martial! Will mich von seiner heutigen Weis(s)heit verzaubern lassen und Schneeballwerfen. Und auf geht´s. Mit meinem polargeprüften Eisbärpullover von Spitzbergen, heißem zuckrigen Tee und Proviant im Rucksack. Welch ein Walk! Tiefverschneite Bäume säumen den fast unkenntlich gewordenen Pfad. Ein Traum. Ich bin glücklich. Fühle mich nach Norwegen versetzt. Fühle mich zuhause. Mit fast kindlichem Eifer und einer überschäumenden Begeisterung baue ich einen Mini-Schneemann, posiere ihn in meiner Hand für ein Foto. Ich nenne ihn „Icy-Walther“. So ganz ohne mein Schnuckel, der wahrscheinlich grad gemütlich im Cafe sitzt, geht´s denn doch nicht! Außerdem hat er auf dem Foto eine tolle handzahme Größe und schmilzt im Zeitlupentempo sichtbar vor Liebe und Sonne dahin. Im realen Leben zeigt er sich definitiv handfester…


FEUERLAND

USHUAIA und UMGEBUNG

34 Tage FEUERLAND
– Heute am 9. März hat vor exakt zehn Minuten, um 14 Uhr, unsere Fähre von POVENIR (Feuerland) nach PUNTA ARENAS (Chile) abgelegt. Vor zehn Minuten haben wir die letzte Feuerland-Luft geatmet, sind den letzten Pistenabschnitt gefahren, haben das letzte Mal Trusty´s Reifen aufgepupst, da die Piste seit der chilenischen Grenze bei San Sebastian eine von der übelsten Sorte war. Die Oberfläche erinnerte an Schweizer Käse – ein Schlagloch neben dem anderen. Da muss der Reifendruck von 5.5 bar runter auf 3.5 bar, sonst brechen Halswirbel und Trusty´s Scharniere. Tatsächlich flog bei einer besonders tückischen Attacke der Schalltrichter von Trusty´s Lufthorn vom Dach, rollte neben seine „Füße“.

Tja, vor zehn Minuten sah die Welt noch gaaanz anders aus. Claro, wir sind jetzt ja auch mitten auf dem Wasser und Herden von Delphinen hatten einen phänomenalen Auftritt. Die beste Show on Earth. Sie katapultierten sich wie Pfeile aus dem Wasser, tanzten und drehten Pirouetten, zeigten sekundenlang weiße Bäuche, brachten die See zum Sprudeln, bevor sie unter der Fähre durchtauchten. Welch ein Geschenk der Natur. Bin mega enthusiastisch. Dies Spektakel bleibt allerdings in meinem Herzen, da weder Smartphone noch Kamera derartig schnell zu zücken waren. Sorry, Leute. Kommt selbst her und erlebt es live.

Unsere Eindrücke von Feuerland? Einfach fantastisch. Ich fühle mich echt überflutet von all den „Geschenken“ dieser Natur. Zehn Tage lang haben wir die östliche Fjordlandschaft von Ushuaia abgepistet – mit einer Stippvisite der bekannten Estancia Haberton. Eine überteuerte Touristenattraktion. Nach einer halben Stunde rollten Trusty´s Räder erleichtert weiter. Rauf und runter ging es, buchstäblich über Stock und Stein mit unzähligen WOW-Erlebnissen angesichts der grandiosen Natur, dem spektakulären Licht- und Farbspielen von Wasserspiegelungen, Blumenwiesen am Pistenrand und die beginnende Herbstfärbung von Baum, Strauch, Moos und Flechten. Wir trafen Gauchos, die mit ihren Pferden am Ufer entlangpreschten, kosteten etwas skeptisch das noch tomatenrote pulsierende Innenleben eines muschelähnlichen Fleisches, verfeinert mit ein paar Spritzern Limonensaft. Sehr salzig! Aber irgendwie doch schmackhaft. Selbst für meine empfindsamen Geschmacksknospen. Der Name? Piures. Angeblich gibt es diese Spezies nur hier am Strand. Das Fleisch verbirgt sich in einer kugelförmigen dunklen Masse. Von Apfel- bis Honigmelonengröße finden sich angespülte Tierchen zwischen Algen und Strandgut, werden begeistert eimerweise von Einheimischen gesammelt.

Am südöstlichsten Zipfel der Welt, auf der Estancia Mota – die Piste endet hier vor einer Militärkontrolle – hat uns der Sturm nachts voll erwischt. Windstärke 11. Walther´s Schätzwert. Es war ihm unmöglich die Containertür zu öffnen ohne die Gefahr, mit ihr über den Strand zu fliegen. Stattdessen hat es die Sonnenblende erwischt. Weggepustet bis auf eine allerletzte Schraube. Es war übrigens das erste Mal in unserer Reisegeschichte, dass ich nachts im Bett fast seekrank wurde. An Schlaf war nicht zu denken. Trusty hat geschaukelt wie ein liebeskranker Wal. Ich befürchtete schon, dass er kippt. Doch Walther zeigte sich stoisch. Sein einziger nächtlicher Kommentar: „Ganz ruhig, Süßie. Erst wenn sich zwei Reifen heben, wird es brenzlig.“ Hör ich da von irgendjemand die Frage: „Warum habt ihr Trusty´s Schnauze nicht dem Wind entgegengestellt?“ Toller Tipp, ja. Kann nur ein Patagonien Unerfahrener fragen. Antwort: „Haben wir sogar. Doch der Wind dreht sich hier schneller als eine CD in der Disco.“

Zur Belohnung haben wir uns am Wochenende ein genial schmeckendes Mahl in Lore´s und Lito´s schnuckeligem Restaurant Mesita de Almanza in dem Fischerort Almanza gegönnt: Kingcrabs (Königskrabben) frisch aus dem Fjord. Mhhh! So Lecker! Nur in diesem Ort garantiert frisch. Ein wirklich süßer Fischerort. Wir haben hier gerne übernachtet. Thema kulinarische Leckereien: Mit wachsender Begeisterung haben wir uns das traditionelle argentinische Cordero einverleibt – diesmal am westlichen Fjordzipfel im Oveja Verde. Cordero ist ein am offenen Feuer gegrilltes Fleischallerlei. Mein Favorit war definitiv das Schaffleisch.

Wieder auf Piste düsten wir straight zu Hains Super-Schrott-Campground am Lago Fagnano bei Tolhuin. Natürlich nicht ohne einen erneuten Stopp in der berühmten Bäckerei Panaderia Union, dem Treffpunkt internationaler Schleckermäuler. Im Camp dann haben wir echt gestaunt. Hat hochkarätig verschrobene Ideen, der Besitzer. Roberto heißt er. Er und seine Frau sind garantiert das einzig nicht Recycelte auf dem Platz. Außer uns, natürlich. Wirklich sehenswert.

Kurz entschlossen haben wir uns noch die Estancia Maria Beherty angeschaut, bekannt durch ihre lange Existenz. 120 Jahre Schafzucht. Beeindruckende Stallungen und Häuser, die erst seit zwanzig Jahren Gas,- und Heizungen haben.

Glanzpunkt unseres Rückzugs aus Feuerland war ein intuitiver Abstecher zu den Königspinguinen, die wir ja bereits vor mehr als vier Wochen besuchten. Inzwischen gab es Nachwuchs. Zwanzig Pinguinbabys. Auf dem Foto als braune Fellbüschel erkennbar. Die mussten wir einfach sehen. War neun Grad Celsius kalt, regnerisch und stürmisch. Brrr …

So, jetzt geht es nur noch nach Norden. Immer im Wechselbad zwischen Chile und Argentinien hin und her. Je nach Passübergang. Freuen uns auf mehr Wärme …


CHILE

PUNTA ARENA – TORRES DEL PAINE – PUERTO YUNGAY


Wenn ich eine unbändig brausende Sturmböe aus Patagonien in einen Briefumschlag tüten und in die Lüfte werfen könnte, wäre der Brief schneller in Deutschland als per DHL-Express. Kaum zu glauben, aber wahr: „Bei Sturmattacken über 100 Knots legt ein Passagierbus sich schon mal auf die Seite“, laut Aussagen der Ranger in Torres del Paine.

Torres del Paine – ein Nationalpark mit Attraktionen der Superlative für Auge und Ohr, Trecking-Muskeln und Durchhaltevermögen. Das Kleinod der Chilenen. Lagunen, schneebedeckte Gipfel, bizarre Felsgrate, Flora und Fauna (wie Guanacos, Gürteltiere, eher selten ein Puma) üben einen Zauber aus, den sich kaum ein Besucher entziehen kann. Der Park ist ein Paradies für Hiker, das Angebot ist vielfältig. Das Highlight ist ein 6-Tage-Trip mit Rucksack und Führer. Begeisterte Wanderer wie wir (Hm! Hm!) haben uns nach laaangem Zögern und schweren Herzens gegen diesen Hike entschieden.

Alternativ stürzten wir uns todesmutig um 18 Uhr allein zum Lago Grey bei Windstärke beyond limits, kämpften uns wacker über einen schlammig schlüpfrigen Trail hinauf zur Spitze der dortigen Halbinsel, um mit sturmzittrigen Wimpern, windklappernden Augendeckeln und nebelgrau verhangenen Augäpfeln einen Blick auf den Gletscher Grey und zwei grünblaue schwimmende Eisberglein zu erhaschen. Als wir endlich – (ich halb blind. Hatte noch meine Gleitsicht-Sonnenbrille auf der Nase. Doch Walther dirigierte mich sicher über Stock und Stein. Nun ja, zwei oder drei von den ganz tückischen hat auch er nicht mehr erkennen können …) – um 21 Uhr in tiefster Dämmerung unseren Weg zurück zu Trusty erstolperten – und wie luftgefüllte Ballone unser Räder-Häuschen betraten, hob der Container fast ab, als wir endlich tief ausatmeten. Fazit: zu viel frische Luft tanken kann gefährlich sein.

Der nächste Tag präsentierte sich im Sonntagsstaat mit einem strahlend blauen Himmel. Erneut Windstärke 10. So what! Unerschrocken starteten Trusty und wir durch, bestaunten die im Sonnenlicht funkelnden Berggipfel, Seen und Lagunen. Unser nächstes Trecking-Abenteuer wartete: Der Aussichtspunkt auf den Gletscher Cuernos und dem Gletschersee. Ein faszinierendes, atemraubendes und extrem anstrengendes Abenteuer, da fast immer mit der Nase gegen den Sturmwind. Im unbarmherzigen Gegenwind erkeuchten wir uns Schritt für Schritt unseren teils tückisch rutschigen Pfad aufwärts, passierten einen tobenden, Regenbogenfarben sprühendem Wasserfall und freuten uns über jeden sekundenlangen Nachlass des Sturms. Jeder Augen-Blick unserer wagemutigen Exkursion war faszinierend. Einmal hat mich eine Böe derart frontal erwischt, dass ich Leichtgewicht kurzzeitig mit den Füßen vom Boden abhob. Heb ja öfter ab, wie Walther meint, aber doch nicht sooo. Es war ein buchstäbliches High-Light und ein cooles Gefühl sekundenlang zu fliegen. Die Landung auf dem Hintern dagegen war eher unangenehm. Drei Stunden haben wir uns vom Sturm durchschütteln lassen, uns tapfer gegen den Wind gestemmt. Teilweise, wenn´s gar nicht anders ging, musste ich mich bei Walther festgekrallen oder bin rückwärts voran gegangen. Endlich am Ziel, vor den spektakulären Gletschern Los Cuernos und dem See, habe ich versucht ein Panorama-Foto zu machen – keine Chance. Das Smartphone führte ein windvibrierendes Eigenleben, wie meine Hände. Das digitale Ergebnis? Ein abgeschnittener Berg (siehe Fotos) und verwackelte Videoaufnahmen. Na ja, hat auch was. Lifeshow pur.

Nach einer Nacht in der Campsite der berühmtesten Lodge des Parks Las Torres und einem langen letzten Blick auf die berühmten Drei-Torres Gipfel, nahmen wir rasant Abschied. Rasant ist stark übertrieben, denn es gibt eine Kehrseite der Bilderbuch-Atmosphäre. Kilometerlange teilweise grottenschlechte Pisten nerven Mensch, Auto und Reifen. Walther hat viel Luft abgelassen. Aus den Reifen, natürlich.

Auf geht es nach Puerto Natales. Unsere Fähre erwartet uns, drei Nächte und zwei Tage an Bord gen Norden, durch die Fjordlandschaften Chiles, nach Puerto Yungay. Die Freude ist groß … Größere Treckingtouren auf dem Schiff sind eher unwahrscheinlich. Relaxen ist angesagt. Juchhe …


CHILE

PUERTO NATALES – PUERTO YUNGAY – VILLA O´ HIGGINS

Kaltsturm – Staubsturm – Regensturm – Schneesturm … bis Windstärke 12. Die Überfahrt auf dem Fährschiff von PUERTO NATALES nach PUERTO YUNGAY am fast südlichen Ende der berühmt berüchtigten Piste, der CARRETERA AUSTRAL, war einfach klasse. Die drei Nächte an Bord verbrachten wir in Trusty, tagsüber bestaunten wir die Wasserwelt der Fjorde und die angrenzenden Bergmassive. An Schlaf war die zweite Nacht kaum zu denken, da die Wasserpiste wegen Sturm vor „Schlaglöchern“ nur so boomte. Unsere Matratzen reagierten wie Trampoline, und mein Hirn zeigte sich wellengerecht erschüttert. Ansonsten alles paletti. Auch der Service an Bord. Frühstück, Mittagessen, Dinner. Gern auch mit Nachschlag. Weiblicher Augenaufschlag macht´s möglich. Kochendes Wasser und Orangensaft aus dem Saftspender gab es rund um die Uhr, so viel man mochte. Ein minutenlanger Zwischenstopp in PUERTO EDEN und CALETA TORTEL katapultierte unsere Aufmerksamkeit auf zwei Dörfer, die teilweise auf Stelzen erbaut, ihre Häuser fast ausnahmslos mit Stegen verbunden sind. Alles ist nur zu Fuß oder per Boot erreichbar. „Genial.“

PUERTO YUNGAY. Eine kleine Hafenmole. Ein Kiosk. Sonst nichts. Wo bitte sind wir gelandet? Und jetzt? Claro, eine 40-minütige Fährfahrt auf einem kleinen Schiff zur Fährstation RIO BRAVO beamte uns erneut in eine andere Welt. Plötzliche Windstille, strahlend blauer Himmel, schneebedeckte Berge mit eisig funkelnden Gletscherzungen, türkisgrüne Lagunen und Seen, Regenwald mit rhabarbergroßen Blätterpflanzen - genannt Nalca - mit unterarmlangen samenträchtigen Dolden, Frau-hohe Farne, leuchtend rote Blütenbüsche sowie Flechten, Moose und Schilf in herbstlich bunten Farben. Rauschende Wasserfälle, exotisch gefiederte Vögel mit sichelartigen Schnäbeln und hupengleichen Stimmchen und andere uns fremdartige Geräusche in grandioser Ur-Natur ... kaum zu toppen. Ein kleines Paradies. Wie rollen, hüpfen, schaukeln auf einer serpentinen- und geröllreichen Piste zum südlichsten Zipfel der 1247 km langen CARRETERA AUSTRAL, das Pistenjuwel oder auch der Pistenschreck von Chile, und zwar zum Städtchen VILLA O´ HIGGINS und dem gleichnamigen LAGO, dem Grenz-See zwischen Chile und Argentinien.

Gestern stromerten wir in dem kleinen Ort herum, einem Mini-Ort umgeben von Makro-Natur mit 555 Einwohnern, kleinen Holzhäusern und zwei Kirchen, einem farbenfroh angemalten Kindergarten und Mathias von ALTAVISTA. Mit seiner Genehmigung geht´s schweißnass hoch durch dichten Regenwald per pedes zum MIRADOR GLACIARES, dem Gipfelpunkt, um das Panorama auf den gegenüberliegenden Gletscher MOSCO zu genießen. Der Trail ist garantiert schlangenfrei. Laut Aussage der Ranger gibt es an gefährlichen Tieren in Chile nur die ein oder andere Spinnenart, die beißt. Also, Crocs an und los? Nee, lieber nicht.

Vier Tage später ging es wieder auf Piste, zum zweiten südlichen Endpunkt der CARRETERA AUSTRAL – mitten in einem riesigen Sumpfgebiet in herbstlich satten Farben. An einem Fluss hieß es entspannen. So war der Plan. Doch Walther ging angeln, wollte uns ein leckeres Fischi zum Dinner fangen. Ich blieb in Trusty – die Moskitos attackierten mich draußen zu sehr. Es verging eine Stunde, dann neunzig Minuten … es wurde dämmrig … kein Walther in Sicht. Ich rausgehechtet, nach ihm gerufen. Keine Antwort. Dafür lehnte eine einsame Angelrute am Brückengeländer. Mein Magen verknotete sich, meine schriftstellerischen Fantasien gingen mit mir durch. Walther als Moorleiche …? Endlich, mein Rufen wurde erhört. Walther hing wie ein Affe im Baum, mitten im Sumpf. Was er da wollte? Tja, darauf muss man erst mal kommen: Die Angelleine mitsamt seinem Lieblinks-Blinker hatte sich in einem der Äste verfangen. Das ging ja gar nicht … Klar doch, dass er lossumpfen musste, oder? Mein Herz hüpft noch immer, wenn ich an diesen Augen-Blick denke. „Mein Gott Walther …“ Der Spruch macht Sinn.


CHILE

PUERTO YUNGAY – CALETA TORTEL – PASO ROBALLOS
(Grenze Chile-Argentinien).

Es ist unmöglich, die uns wichtigen Highlights unserer Reise wie Sandkörner einzeln aus einer Sandburg herauszupicken, da sowohl die Auswahl an Fotos als auch Worte nie das unmittelbare Erleben wiederspiegeln können. Egal, wie sehr ich mich auch bemühe, es fehlen die Emotionen, Stimmungen, Geräusche, Düfte, das Schlagloch- oder Wellblech-Pisten-Feeling. Stichwort Caleta Tortel … ein Örtchen, wie schon erwähnt, mit hölzernen Stegen und Treppen, die sich teils wie Himmelsleitern vom Wasserlevel hinauf zur einzigen Piste winden. Die Verbindung zur Außenwelt. Ausgenommen die Wasserwege.

Auf unserer Schifffahrt haben wir das Örtchen nur kurz aus der Ferne betrachten können. Doch heute sind wir vor Ort. Unsere Schweißperlen und unser Keuchen beim Erklettern der vielen hundert Stufen sind auf keinem der Fotos zu sehen, geschweige denn zu hören. Ebenso der sehr eigene Charme dieses Ortes … er entzieht sich der digitalen Welt. Caleta ist ein Treffpunkt für Backpackers aus aller Welt. Ein Whirlpool der Quirligkeit und Fröhlichkeit. Des Erlebnishungers. Stichwort Hunger. Der Supermarkt vor Ort? Die Regale für frisches Obst oder Gemüse gähnen heute Mittag vor Leere oder zeigen etwas bräunlich angelaufene Ware. Geöffnet wurde erst nach mehrfachem Klingeln. Siesta-Time. Die nächste Einkaufsquelle liegt 123 km nördlich, in Cochrane.

Neue Waren finden ihren Weg in den Shop oder private Häuser nur über eine komplizierte Verladung per Land- und Wasserweg. Schwer beladene Pick-Ups verlassen wenige Kilometer nördlich des Ortes die Piste, rollen auf eine Geröllzunge am Fluss. Die Fahrer hieven ihre Ladung in ein wartendes Boot. Dann geht´s mit knatterndem Motor auf einem gewundenen Wasserarm zum kleinen Hafen. Der Rest wir geschleppt. Meist huckepack zum Haus. Dabei handelt es sich nicht um ein oder zwei Koteletts für den Sonntagsbraten, sondern um halbe oder ganze geschlachtete Tiere.

Nach einer mehrstündigen wüsten Pistenschlaglochfahrt von Caleta Tortel auf der Carretera Austral gen Norden mit einer Stippvisite in Chocrane, suchen wir kurz vor der Dämmerung ein Schlafplätzchen, rollen auf eine buschige Wiese in der bergigen Pampa. Endlich Feierabend. Das Gefühl der Freude währt nicht lange. Wenige Minuten später werden wir freundlich aber bestimmt von Ranger vertrieben – wegen hoher Brandgefahr. Sie bieten uns eine Alternative: das West-Wind-Camping im Patagonia-Park, zehn Kilometer entfernt.

Aus unserem anfänglichen Unwillen wird pure Faszination, als wir in den Park eintauchen. Ich spreche nicht von der meisterlich erbauten Lodge, an der wir vorbeirollen, sondern von dem Design der Natur. Eine Landschaft, mystisch und unwirklich, Bergketten und Hügelkuppen wie in einer Scienfiction-Welt, angestrahlt und umhüllt von dem flammend rotorangem Licht des untergehenden Sonnenballs. Ich fühlte mich an eine kosmische Batterie angeschlossen, deren Energie mich am nächsten Tag fünfzehn Kilometer himmelwärts einen Bergpfad über bunte Blumenwiesen, durch herbstlich leuchtenden Wald und tausend Grashüpfer hinauf bis zum Gipfel und der dortigen Lagune trägt und wieder hinunter. Fast sieben Stunden war ich allein unterwegs und mega glücklich, dass ich auf der gipfelnahen steilen Etappe nicht abgerutscht bin. Abwärts habe ich mich zweimal auf den Hosenboden gesetzt, da es nirgendwo Trittfestigkeit für meine Sneakers auf dem rutschigen Geröll gab. Doch egal. Meine betagten Storchen-Beinchen haben mich treu getragen. Ich hab´s geschafft. Unverletzt! Und nur das ist wichtig.

Tja, ich bin eben eine Seniorin mit jugendlichem Feuer. Und glücklich, dass ich all dies noch wuppte. Keine Selbstverständlichkeit. Mag sich pathetisch anhören, doch ich bin wirklich dankbar dafür, und erfüllt von einem Cocktail aus purer Freude, Lebenslust, Frieden. Ein Gefühl, das sich Ausdruck verschafft in einem Tränenstrom, der mir über die Wangen kullert.

Walther erwartete mich am Ende meines bergigen Alleingangs mit einem erleichterten Lächeln und tollen Überraschungen. Er hatte die Zeit genutzt mit Wäschewaschen und Kochen. Süß, nicht? Eine weitere Krönung an diesem Tag. Ganz anderer Art.

Unsere Pistenfahrt gen Paso Roballos, zur Grenze nach Argentinien, führte uns an einem Stonehouse vorbei, von dem auch ein 4-tägiger Trail in die Gebirgskette des Parks Jeminemi führt. Wie gerne wäre ich mit einer Gruppe Australier losgestapft, die gerade ihre Rucksäcke schulterten. Sie wollten den Tierbestand zählen. Doch 17 kg Gepäck auf meinem Rücken? Definitiv zu viel für mich. Irgendwo hat meine jugendliche Begeisterung dann doch ihre Grenzen. Nennt man Einsicht, oder? Vielleicht sogar Weisheit?

Die Piste zur Grenzstation hatte es in sich. Nichts für betagte Motorbikes und altersschwache VW-Busse, die zwar sehr beliebt, aber nur beschränkt einsatzfähig sind. Die Grenzstation selbst war wie ein Foto aus dem Bilderbuch, außerdem erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Überall liefen Hunde und gackernde Hühner herum, irgendwelche Kräuter wuchsen in ausrangierten Dosen mit Erde und Wasser (für Tee?) wurde von einem uniformierten Grenzer aus dem naheliegenden Fluss geholt. Irgendwie lustig. Definitiv easy going.


ARGENTINA

LAGO POSADAS – El CALAFATE – El CHALTÉN


Pampawüste – Eiszeit – Indian Summer … nach der cilenisch-argentinischen Grenze Paso Roballos eroberten wir die Pistenwelt gen Lago Posadas, wurden beglückt mit einer Traumlandschaft, verschreckt mit einer Traumapiste. Trickreich, da tausend Schlaglöcher, wettergegerbte tiefspurige Rillen und vereinzelte Wassergräben, die unerwartet wie Spinnennetze oder Tümpel jede zügige Weiterfahrt stoppten und die Bremsen quietschen ließen. Millionenfach runde Steine in diversen Größen und aufgeweichte lehmige Erde verhalfen Trusty zu kurzzeitigen unkontrollierten Freiheitsgefühlen in Form von Schlitterpartien. Doch Walther bekam jeden der heftigen Ausbruchsversuche erfolgreich in den Griff, meine Atemaussetzer dauerten länger.

Diese brenzlig heiße Zeit wurde 800 Kilometer gen Süden belohnt durch die Szenerie im Nationalpark Glaciares bei El Calafate, einem echt schnuckeligen Ort. Sehr zu empfehlen ist das kleine Restaurant Viva la Pepa - auf dem Plazoleta San Martin gegenüber dem Supermarkt La Anonima - das Oberleckeres anbietet. Ob diverse Lammfleisch- oder vegetarische Kreationen im Crepe-Mantel oder utopisch aussehendes Zuckerwerk bis himmlisch schmeckende Naschereien … es lohnt. Weg von den Gaumenfreuden nun zum berühmten Gletscher Perito Moreno. Er erstrahlte in einer sonnendurchfluteten Weisheit, als er uns sah. Nicht nur das, er ließ sein Eis knirschen und krachen wie Feuerwerkskörper, sein Schmelzwasser gurgeln und detonierte kalbend mit Donnergetöse vor unseren Augen. Natürlich dann, als unsere Kamera nicht im Einsatz war. Stundenlang lauschten wir der spektakulären Geräuschkulisse des Gletschers, bewunderten seine Verwandlungskünste mit Farbe und Licht, sei es unter funkelnden Sonnenstrahlen, schattenwerfenden Wolken oder in den Strahlen der Spätnachmittagssonne, welche die Gletscherspalten erst blaugrün, dann dunkel, die Gletscherzunge dagegen mit zartem Abendrot streifte. All dies war von verschiedenen ´Balkonen´ zu betrachten, auf unterschiedlichem Level.

Unsere Eiszeit-Faszination war entflammt, wir buchten spontan eine 5-stündige Eisberg-Gletscher-Touri-Tour per Speed-Boot auf dem 125 km langen Lago Argentino durch eine fjordähnliche Enge mit steil aufragenden Bergmassiven beidseitig des milchig grün schimmernden Wasserarms, hervorgerufen durch die sogenannte Gletschermilch (Sedimente und Mineralien). Zielpunkte: der Gletscher Upsala mit seinen schwimmenden Eisbergen. Dann drei weitere Gletscher und als Glanzpunkt der grandiose 135 m hohe Spegazzini. Eisige Giganten inmitten bewaldeter Bergkuppen und Gipfel, mit Neuschnee wie mit Puderzucker bestäubt, und wir mittendrin auf dem Wasser in einer Nussschale von Boot, mit eisigem Wind, der an Allen und Allem zerrte und beim Fotografieren gefährlich an Fingern und Handys rüttelte. Wie viele Smartphones und Kameras wohl bereits auf dem Seeboden liegen? Angesichts dieser seit Millionen Jahren bestehenden Natur fühlten wir uns winzig wie Eiskristalle, Probleme entschwanden, nur der unmittelbare Augen-Blick zählte. Ein Augenblick des Staunens, des Enthusiasmus, ja sogar einer gewissen Ehrfurcht – eingefroren für immer in meiner Netzhaut, für immer in meinem Herzen.

Und heute? Heute rollen wir gemütlich durch den Los-Glaciares-Natural-Park um El Chaltén, genieeeßen die tanzenden warmen Sonnenstrahlen bei zwölf Grad und die Buntheit der spätsommerlichen Farben von Sträuchern, Büschen, Wäldern, Moosen und Sümpfen … bis heute Nacht patagonische Sturmböen Trusty wieder zum Schaukeln bringen. Manchmal im Halbschlaf weiß ich nicht, ob wir auf einem Schiff oder in unserem Motorhome sind. In einem Anfall von größenwahnsinniger Bergsteigerlust stapfe ich morgens los, beginne den Trail zum sagenumwobenen Fitz Roy Gletscher. Eine Schnapsidee? Kann man sagen. Bereits am Anfang fluchte ich. Das war doch kein Trail! Das war reine Schikane. Kniehohe unregelmäßige Felssteine als Treppenstufen. Davon unzählige. Bei achtzig hab ich aufgehört zu zählen. Aber ich biss die Zähne zusammen, wischte mir die Schweißtropfen aus den Augen und versuchte, mein hämmerndes Herz zu beruhigen. Kilometer weiter und ich stand auf dem Mirador, dem Aussichtspunkt. Weiter oder zurück? Nein! Jetzt hatte es mich gepackt.Auf ging´s. Mutig stapfend durch dichte Vegetation weiter gen Fitz Roy. Ein richtig enger Pfad. Ich ganz allein. Faszinierend und irritierend. Wenn ich mich nun verlaufe? Die anderen vom Mirador? Auf dem Rückmarsch.

Nach einer halben Stunde gabelte sich der Weg. Ein Schild verklickerte: 8 Kilometer bis zum Gletscher. Kleinlaut, enttäuscht und wütend gab ich auf… Keine Chance. Ich hatte weder genügend Proviant noch ein Zelt … denn das benötigt man, da der Trail nicht als Tagestour gedacht ist. Man übernachtet beim Gletscher. Tja. Mist. Ich also ab zum Lago Capri, dann zurück zu Trusty. Walther kam mir schon entgegen. Hab ich ihm gefehlt? „Natürlich nicht“, sein Kommentar. Ein leckeres Essen und mein Schlaf gestaltete sich tief und fest. Der nächste Morgen jedoch war höchst qualvoll. Trotz meiner verkürzten Wanderung hatte ich einen Muskelkater, der die Größe eines Bären hatte.

Morgen geht es wieder gen Norden, unser nächstes Ziel ist Chile Chico am Lago Buenos Aires, einer Grenzstation, zurück nach Chile auf die Carretera Austral, diesmal nach Coihaique, tausend Kilometer entfernt. Neue Schlaglöcher, neue Eindrücke warten. Ciao, ciao.


CHILE

LAGO JEINIMENI – PARQUE QUEULAT und PUMALIN – VULKAN CHAITÉN

Jipphih – 10.000 Kilometer Südamerika haben wir erobert, meist 4x4 auf pistiger Natur. Über tausend Schlaglöcher, zehntausend Waschbrettrillen, Geröll und Lehm ist Trusty geflogen, geschlichen, gerutscht, haben sich seine Reifenstollen erfolgreich durch Flüsse gewühlt oder in engen Serpentinen verbissen um Griffigkeit gekämpft. Fährfahrten zählen bei der Berechnung extra, ebenso unsere stundenlangen 2x2 schweißtreibenden Exkursionen bergauf und -runter, Muskelkater garantiert. Nach dem Konditionstraining in der bizarren Berg- und Eiswelt auf Feuerland und im Süden von Patagonien (Torres del Paine, Perito Moreno und Fitz Roy Gletscher) und einer österlichen Haarnadelkurven-Achterbahnfahrt zu dem kristallklaren Kleinod Lago Jeinimeni in 850 Meter Höhe (Walther angelte eine 70 Zentimeter lange Regenbogenforelle. ) befinden wir uns jetzt in Gesellschaft jahrtausendealter himmelstürmender Giganten anderer Art: den Alerces im Parque Pumalin – Bäume, deren Kronen nicht ohne Halswirbelsäulenverkrümmung zu entdecken sind und deren rotbraune Stämme bei Regen wie Feuer in dem grünen Dickicht des Ur-Walds leuchten. Der Versuch, einen von ihnen auf die Fotolinse zu bannen gestaltet sich lichttechnisch als fast unmöglich – wie ihr seht. Die Bewunderung für die einzigartige Schönheit dieser grünen Riesen wird noch getoppt durch das leichte Gänsehautgefühl der Faszination (Mischung aus Neugier und Bedrohlichkeit) beim Anblick des aktiven Vulkán Chaitén, an dessen Flanken Rauchsäulen wie Geysire dem Himmel entgegenstreben. Sein Haupt ist unter einem acht Jahre alten schwarzen Aschemantel verborgen. Überall sind die Merkmale seines damaligen Ausbruchs zu erkennen - wie verbrannte Stämme ehemaliger Baumriesen, die sich kahl und mahnend über den neu heranwachsenden Dschungel erheben. Der Aufstieg ist mit Himmelsleitern aus Geröll-, Lehm- und Holstufen aus Wurzelwerk gespickt und richtig mühsam. Es hat bei 19 Grad wie aus Badewannen gegossen und die regentropfende Nässe unserer Jacken und Hosen konkurrierte mit den Schwitzwasserbächlein auf unserer Haut. Die Gummistiefel füllten sich von oben mit Wasser und jeder Schritt quatschte. Ein echtes Abenteuer.

Dagegen gestaltete sich die zweistündige Kletteraktion zum Aussichtspunkt des Ventisquero-Gletschers im Parque Queulat bei Fast-Trockenheit mit zeitweiligen Sonnenstrahlen nahezu als easy. Das mystische Licht und Farbspiel der Pflanzen und Bäume im Regenwald katapultiert alle Sinne in eine magische Welt. Mitten im Zartgrün bis Schwarzbraun findet man rosa und weiße Beeren, violette Pilze, klatschmohnrote Blüten und meterhohe Farne im Indian-Summer-Look. Vom Parque Queulat sagt man, dass dort weltweit außer in Norwegen Trolle zuhause sind.

Ein Kurzeinkauf bei Antonio an der Carretera Austral bei St. Barbara, dann heißt es: Chillen an der dortigen schwarzsandigen Beach, landeinwärts eingeschlossen vom Regenwald. Delphine grüßen uns strandnah mit spielerischen Saltos im Meer. Die Überraschungen hören nicht auf. Auch hinsichtlich des Wetters. Es regnet und regnet und …

Heute sind in Futaleufu, einem Gebirgsort an der Grenze nach Argentinien. Die Gegend ist wunderschön. Ähnelt in ihrer Lieblichkeit Österreich. Doch nachts qualmt es wie auch in all den anderen Dörfern aus Hunderten von Schornsteinen, hüllt alles ein. Wir schnuppern leicht angeräuchert … kein Wunder.


CHILE – ARGENTINA - CHILE

CHAITEN (Chile) – BARILOCHE ( Argentinien) – TEMUCO (Chile)

Der Regen prasselte gnadenlos - nur von kühlen Sturmböen getoppt -, verwandelte Chaiten´s Bürgersteige und Straßen in gluckernde Bächlein. Der geplante Stadtrundgang fiel buchstäblich ins Wasser. Als die Tropfen sich dann auch noch als kleine Rinnsale ihren Weg am Unterschenkel entlang ins Innere meiner Gummistiefel suchten, war Schluss mit meiner Toleranz. Triefnass suchten wir Zuflucht im Natours-Bus, wärmten uns mit Speis und Trank. Lecker. Dann ging es schnurstracks über den weltberühmten Rafting-Ort Futaleufu gen Grenze. Ein netter Ort. Vor allem die Holzhäuser. Tolles Design. Doch auch hier Regen und Nebel, lieblich vermischt mit dem Rauch unzähliger Holzkohlefeuer hundertfacher heimeliger Herde und Kamine oder beliebter Ast- und Strauchfeuer am Waldesrand ebenso wie an Pisten und Straßen – wie allerorts hier in Chile … und Argentinien. Die lungenfreundliche Luftmixtur kennt keine Grenzen, freut sich über jedes neu erobertes Lungenbläschen. Auch unsere.

Doch dann Überraschung vom Wärmsten. Auf der argentinischen Sieben-Seen-Bilderbuch-Route von Trevelin gen El Hoyo überraschten uns Sonne und Regenbögen. Unglaublich wie süchtig man nach einem einzigen Sonnenstrahl werden kann. Ein kurzer Abstecher bei Markos, dem charmanten und geselligen Besitzer der gemütlichen Hosteria El Trebol in Cholila preschten wir weiter gen Norden, Richtung Santiago de Chile – `nur´ 1500 km entfernt. Jeder Kilometer zählte, versprach zunehmende Wärme. Vorerst allerdings ein Wunschdenken. Bei unserem Besuch von Freunden auf ihrer beeindruckenden Estanzia nahe El Bolson purzelten die Grade in frostige Tiefen. Doch die Gastfreundlichkeit von Klaus und Claudia, das gemütlich warme Haus, intensive Gespräche und kulinarische Leckereien sorgten für inneres Tauwetter. Nach fünf Tagen aber drängte es uns zum Aufbruch. Schnee wurde auf dem zweihundert km entfernten Grenz-Gebirgs-Pass Paso Fronterizo bei Bariloche erwartet. Nichts für Walther und Trusty. Eile war angesagt. Faszit? Wir `hechteten´ mit 30 kmh die Gebirgsstraße hoch … und es schneite! Jubel in meinem Herzen. Ich liebe Schnee! Musste sofort aussteigen und Hand anlegen, Schneeball bauen und mit den Schneekristallen spielen.

Mein ganz persönlich schneeiger Jubel endete abrupt am Zoll in Chile. Fast überall forschte der Zöllner (nach Früchten, Gemüse, Milch- und Fleischprodukten und natürlich Drogen), selbst die Kisten auf dem Dach waren nicht vor ihm sicher. Das war das erste Mal, dass wir derart gefilzt wurden. Bislang haben wir nur die Geschichten anderer Reisender gehört. Sogar Hunde wurden eingesetzt. Na, gefunden haben sie nichts. Der Lacher war auf unserer Seite.

Es wurde bereits dunkel, als wir den Zoll verließen, doch glücklicherweise fanden wir ein Übernachtungsplätzchen auf dem Gelände des Rangers vom Conaf Park Anticura. Bevor wir am nächsten Morgen weiter rollten, machten wir dort eine Stippvisite im Regenwald am Wasserfall Salto del Indigo. Das nächste Ziel hieß Osorno. Eine Großstadt. Aber Pläne sind dazu da, sie zu verwerfen. So kletterte Trusty wenig später höher und höher auf schlammiger Piste durch Regenwald mit Bambus und mannshohen Farnen nach Antillanca, (auch) ein Ski-Resort mit Seilbahnen. Ich liiiebe es, auf Sesselliften oder in Gondeln über Landschaften zu schweben. Doch der (freudige) Schock an der Seilbahnstation war wadentiefer Schnee. Zu wenig zum Skilaufen. Deswegen standen die Lifte noch still. Bedeutete wandern. Drei Stunden auffi, in glitzernden Schnee, in der nahen Ferne den schwarzen Vulkanaschekegel des Vulcano Casablanca. Jeder unserer Schritte knirschte in der Unberührtheit des Neuschnees. Juchhe. Romantik pur. Für mich. Walther dagegen drehte schnell um. „Zu kalt. Nix für mich.“ So hatte ich die verschneite Landschaft für mich allein. Echt cool. Ich hätte Stunden herumstromern können, doch Trusty wartete. Das Thermometer zeigte zwei Grad und Walther wollte gen Abend zurück in tiefere Gefilde, da wir uns bei der schlammigen Piste nicht von Frost überraschen lassen wollten. So landeten wir in einem Hotel-Spa, genannt Aqua Caliente. Bekannt für seine Schwefelquellen. Spontan entschieden wir uns für eine Routenänderung. Statt direkt nach Santiago de Chile bogen wir gen Valdivia ab. Natürlich über Umwegen, auf der Piste am Rio Futa entlang zum Ort Corral. Eine kurze Übersetzung mit der Fähre nach Niebla, ein viertägiges Chilling-Plätzchen auf der Steilküste am Meer, um wieder rauchfrei durchzuatmen. Leider freezing cold statt relaxtes Chillen. Da halfen weder das Mensch-Ärgere-Dich- Nicht noch das Mühlespiel am Abend.

Endlich rollten wir in Valdivia ein ... und leider vor der Clinic Alemana. Hatte mega Unterleibschmerzen. Brauchte Hilfe. Niemand sprach Englisch, nur Steffi, eine junges chilenischche Angestellte, konnte Deutsch. Sie war mein Engel, manövrierte mich durch den spanisch sprechenden Dschungel. Zuletzt tauchte noch ein zweiter Engel auf in Gestalt der dort praktizierenden Gynäkologin. Zwei Felsen in der Brandung. Wieder einmal Glück gehabt. Ein dritter Glücksfall begegnete uns in der City-Zentrum-Apotheke. Ein fröhlicher junger Deutscher überrumpelte mich mit den Worten: „Ich bin der Felix. Wir haben bei Temuco ein vegetarisches Restaurant auf dem Lande. Kommt doch mal vorbei. Würden uns freuen.“ Klasse! Doch erst einmal schoben wir uns mit Trusty durch die Rushhour zur berühmten Brauerei Kunstmann (wo die besten Biere Chiles gebraut werden) zur flüssigen Anti-Clinic-Trauma-Therapie. Zwölf verschiedene Biersorten - wie exotische Varianten mit Schokolade, Honig und Heidelbeere - sorgten für interessante und fröhliche Gaumenfreuden und bei Walther für dröhnende Schnarcharien.

Ein Telefonat mit Felix zwei Übernachtungen später und wild entschlossen geht´s gen Temuco, kurz vor der Stadt dann auf die Straße nach Chol Chol. Felix Wegbeschreibung: „Vor dem Friedhof Las Flores links auf die Schotterpiste abbiegen. Dort hängt auch ein Schild. Nach ein paar Metern findet ihr rechts ein Tor aus farbigen Fahrrad-Rädern. Dann hupt ihr.“ Klaro, nichts einfacher als das. Zunächst fahren wir natürlich an Schild und Friedhof vorbei. Also, wenden, Piste, Hupen. Wir werden nicht nur von Felix, Michel, Conny und Moritz auf das Herzlichste begrüßt, sondern von einem freilaufendem Pferd, vier Hunden, Katzen, Hühnern, Enten und einem saufetten Schwein. „Sie alle verzaubern vor allem Stadtkinder, die Tiere wie Schwein oder Pferd oft nur aus Bilderbücher kennen“, Felix´ Kommentar. „Wow! Ist ja hier wie bei Pipi Langstrumpf, Villa Kunterbunt. Genial.“ Mein erster Eindruck. Das vegetarische Restaurant Arboleda Emaluisa entpuppt sich als ein originell designiertes, farbenfrohes Kleinod mit orientalisch-rustikalem Flair. Ein in monatelanger Kleinarbeit von Conny und Michel gefertigter Fußboden aus schillernden Mosaiken, Wände im traditionellen braunen Schlamm-Outfit mit grünen Glasflaschen als Lichtbrücken, farbige Lichtspiele im kegelförmig hölzernen Kuppeldach, Sitzbänke aus Baumstämmen und viele liebevolle handwerkliche Kunstarbeiten verleihen der Räumlichkeit auf zwei Ebenen ein einzigartiges Wohlfühl-Flair. Getoppt wird dies durch prasselnde Kaminfeuer und kreativ bereitete Speisen, ebenso durch das Aroma handgenähter Kräuterkissen und Büschel wohlduftender Katzenminze und Lorbeerblätter. Das äußere Ambiente lockt auf einem riesigen Gelände neben uralten Obst- und Kastanienbäumen, Bambus und einem Kräutergarten mit medizinischen Pflanzen für Natur pur. Spiel und Spaß sind garantiert für Jung und Alt in Pools, für die Kleinsten im von steinernen Fabeltieren bewachtem Planschbecken, auf der Event-Plattform eines selbstgebauten Schiffes, einer Hängebrücke, Feuerstellen mit bemalten Sitzen aus Autoreifen, Klettergerüsten und Schaukeln. Highlights sind der fünfzig Meter lange Flying Fox und diverse künstlerisch innen und außen dekorierte nostalgische Autowracks wie VW-Busse aus den 80-ziger Jahren, in denen Kinder ihre Fahrtüchtigkeit erproben können und Erwachsene im Sommer ein schattiges Ruheplätzchen finden. Wir hängen ab. Statt der geplanten zwei Tage werden es zwei Wochen. So toll hat es uns an noch keinem Platz gefallen. Und dies liegt nicht nur an dem Komfort problemloser Wasseraufnahme und Stromversorgung für Trusty, sondern die Herzlichkeit und Offenheit von Conny und den Jungs sind einfach Balsam für Seele, Geist und Körper. Letztere benötigen dringend Urlaub von Reiseeindrücken. Und das ist hier der perfekte Platz dafür. Morgen fahren wir weiter. „Danke, ihr Vier, für die tolle Zeit … Hatten mega Spaß, nicht nur bei Glühwein und heißen Maronen am Herd … im herbstlichen Juni. Wir kommen wieder …! Bis hoffentlich irgendwann …“


CHILE

VALPARAISO – ATACAMA WÜSTE

Juchhuh. Wir sind in San Pedro de Atacama. In 2500 Meter Höhe. Die Touristenhochburg Viῆa del Mar am Pazifik und ein stürmischer Wolkenbruch-Ausflug ins kunterbunte Graphity-gestylte Treppenviertel von Valparaiso liegen knapp 1500 Kilometer südlich hinter uns. Schau ich aus Trusty´s Fenster sehe ich weiß. Schnee? Weit gefehlt. Billionen funkelnder Salzkristalle reflektieren unter heiß brennender Wüstensonne. Bizarre Gebilde, einzigartig in Form und Ausmaßen, soweit das Auge reicht. Stopp! Ich muss mich korrigieren, denn in ihrer Mitte erstrecken sich blaugrüne Lagunen, in deren seichten Gewässer rotgefiederte Flamingos hocherhobenen Hauptes stolzieren oder mit ihren Schnäbeln auf der Suche nach leckeren Krebsen über den Lagunengrund huschen, den sie in einem exotischen Tanz auf staksig langen Beinen mit ihren Füßen systematisch aufwühlen. Den Hintergrund dieser kilometerweiten Idylle bilden die schneebedeckten Gipfel der Anden und Vulkane. Die Glanzpunkte in dieser fantastischen Welt aber bieten blutorange leuchtende Sonnenuntergänge, ein kristallklarer Nachthimmel mit einer brillant schimmernden Milchstraße. Wir sind verzaubert, nicht nur von dem heutigen Augen-Blick an der Laguna Tebinquince.

Seit Wochen durchstreifen wir die Atacama-Wüste in Chile, von der Pazifikküste durch den Pan de Azucar Nationalpark (übersetzt Zuckerbrot) wo kugelrunde erdverbundene Kakteen mit fünf Meter hohen Prachtexemplaren einer anderen Stachel-Spezies miteinander konkurrieren ̶ hinauf in die wüstig skurrile Gebirgswelt um San Pedro. Ein Ort mit besonderem Flair: Farbenfrohe Bazare und unzählige Travel-Agencies wetteifern um die Gunst quirliger Touristenströme aus aller Welt. Eine grüne schattige Plaza in Ortsmitte lädt ein zum Chillen, spontanen Musikdarbietungen oder abends zu einer Leckerei in einem der gemütlichen Restaurants mit offenem Feuer gegen die kalten Nächte. Nicht zu vergessen die staubgetränkten Pisten und Parkplätze und nicht zu unterschätzen sind verkrustete Nasenschleimhäute. Auch sie gehören dazu, ebenso wie das Valle del Luna (Tal des Mondes), in dem man sich teilweise im Taschenlampenlicht durch enge Salzhöhlengänge zwängt oder von einem Dünenkamm den Sonnenuntergang bestaunt, das Valle del Muerto (Tal des Todes), in dem unsere grüner Trusty durch enge rotleuchtende Felsschluchten kurvt, bevor er abrupt im Tiefsand vor einer hohen Dünenkette unfreiwillig zum Stehen kommt. Sandsurfen ist in. Youngsters aus aller Welt gleiten, hüpfen jauchzend talwärts oder nehmen ein jähes unfreiwilliges Sandbad.

Buchstäblich atemberaubend: Die grandiose verschneite Bergwelt und wir mitten drin … in einem nicht geplanten Abenteuer. In einer Höhe von 4300 m fanden wir rechtzeitig zu einem atemberaubenden Sonnenuntergang ein tolles Übernachtungsplätzchen inmitten eines Schneefelds, spielten „Mensch ärgere Dich nicht“ und bewunderten auch hier kurzzeitig den spektakulären Nachthimmel bei sinkenden Temperaturen. Welch ein Wohlgefühl nach einer heißen Dusche ins Bett zu sinken. Welch ein Schock, als sich die Heizung kurz nach Mitternacht verabschiedete und wir bei minus 14 Grad aus dem warmen Bett über serpentinenreiche Pisten in tiefere Gefilde auf 3600 m flüchten mussten. In Trusty bildeten sich bereits niedliche Eiszapfen an den Nieten der Decke, Fenster waren komplett eingefroren und Walther fürchtete um unsere Wasserleitungen. Interessant: Jedes elektronisch zu zündende Feuerzeug gab seinen Geist auf, da halfen nur noch Streichhölzer … für einen heißen Kakao und Wärmflasche.

Welch ein krasser Gegensatz zu unserem herrlich temperierten Wüsten-Aufenthalt im Basecamp Piedras Bayas, einer Lodge nahe Copiapo. Ungewöhnlich in jeder Hinsicht: die Architektur der Bauten und der Zelte auf Holzplateaus, die blühende Wüste mit Sträuchern und Blumen in allen Farbspektren, heller Sandstrand umgeben von dunklen Felsklippen, weiß schäumende Pazifik-Wellen und Seelöwengebrüll. Auch die Anfahrt hatte es in sich. Zunächst verirrten wir uns total in dem Fischerort Bararranquillas, suchten verzweifelt die Piste, bis sich ein Einheimischer erbarmte und mit seinem Pick-Up vor uns her schaukelte. Erinnerte mich an eine Schnitzeljagd. Unscheinbare weiße kleine Holzpfeile wiesen in sengender Hitze die Richtung in der unendlichen Wüste. Die einzigen Orientierungspunkte. Spannend. Und schweißtreibend für uns. Jose, der Besitzer, und Marcella begrüßten uns mega herzlich an der herrlich feinsandigen Badebucht der Lodge, geschützt durch Steinwälle vor dem stürmischen Meer und überraschten uns mit der Einladung zu einem leckeren Grillabend mit Wein am Feuerplatz. Balsam für die Seele.

Ein besonderes Highlight ganz anderer Art aber bot uns die Führung durch das weltberühmte Observatorium auf dem Berg Cerro Panatal. Das Nadelöhr zum Universum. Riesige Teleskope unterschiedlicher Funktion beeindruckten ebenso wie die Erklärungen eines Astrophysikers, der geduldig unsere Fragen beantwortete. Wie winzig wir doch sind … wie jung die Erde, und Billionen Jahre jünger erst die Astrophysik.

Nur 100 km weiter mahnt die Skulptur Mano del Desierto (Wüstenhand) uns Menschen, unsere Erde respektvoller zu behandeln, um nicht eines Tages wie die Hand wüstenhaft zu versanden. Heute Abend grillen wir ein letztes Mal in der Atacama-Wüste, morgen geht´s auf der berühmt berüchtigten Pan Americana nach Norden, Richtung Peru. Noch 800 km bis zur Grenze. 34 Grad erwarten uns …


PERU

AREQUIPA – TAYA – COLCA CANYON – CHIVAY – YAURI – CUSCO – MACHU PICCHU – NAZCA LINES – PARACAS – LIMA – PIURA – MANCORA – GRENZE ECUADOR

Peru. Einfach „WOW!“ Farbenfroh. Gastfreundlich. Lachend. Musikbegeistert. Speziell in den Andenregionen überraschen die Einwohner fast jedes Dorfes mit unterschiedlich traditionellen Gewändern und Hüten. Die Outfits der Ladys muten teilweise wie Karnevalskostüme an, derart bunt und schillernd funkeln die Paletten der kurzen Jacken im Bolerostil, der Hüte, ja sogar der Röcke. Etliche Untergewänder schenken dem knielangen Überrock ein glockenhaftes Aussehen – wie damals bei uns die Petticoats – lassen ihn beim Gehen lustig wippen. Oft wirkt er breiter als die Trägerin lang ist. Manche Kleider wiederum sind bodenlang, reifrockartig ausgestellt. Wie lange wohl das Anziehen morgens dauert? Sicher ein echter Verrenkungsakt, speziell für Greisinnen. Übrigens … Hut ab vor ihnen. Unermüdlich ziehen die Alten, ob Männlein oder Weiblein, mit Wanderstock ihrer Feldwege quer durch Äcker, Berghänge oder Dörfer, auf dem Rücken ein buntes Tragetuch mit Waren. Welch eine Ausdauer! Absolut bewundernswert. Mir stockt bereits bei dem Anblick der von ihnen zu bewältigenden Steigungen der Atem. Thema Steigung: Auf schotterlöchrigen Achterbahnpisten und Serpentinen - von Meereshöhe bis 4900 Meter hoch in die Anden - bleiben kein Wirbel und Muskel unberührt. Rekord bildete die Piste vor dem Ort TAYA mit gewagten 39 Serpentinen vom Feinsten. Hinab in den Canyon! Hinauf aus dem Canyon! Fehlte nur der Looping. Dreißig Minuten lang haben wir uns die Szenerie aus sicherer Entfernung von einem Fels-Vorsprung angeschaut, ehe wir waghalsig abtauchten. Ging besser als gedacht. Aber weiß man das im Voraus? „Endlich mal wieder Abenteuer,“ Walther´s fröhlicher Kommentar, während die Motorbremse dröhnt, die Achsen quietschen und das Lenkrad hektisch vibriert.

Temperaturen sind ebenso wenig kalkulierbar wie Routenplanungen, schwanken wie Trusty´s Container in Haarnadelkurven. Nachts gefährlich nah am Gefrierpunkt, verwandeln Sonnenstrahlen die Fahrerkabine nur Stunden später in einen Schwitzkasten. Schweißperlen in Konkurrenz mit Kurzatmigkeit bei 4000 Meter – keine Seltenheit. Wir haben uns langsam – von Arequipa (2500 m) zum Colca-Canyon (3700) mit den herrlichen Condoren – über Chivay auf die Hochebene (4889 m) nach YAURI getraut, dann weiter nach Cusco (3500 m). Bewaffnet mit Coca-Sweets, Coca-Blättern zum Kauen, Coca-Pulver für Drinks und einer Notration Sauerstoff in einer Aluflasche für alle Fälle haben wir es erstaunlich gut gewuppt. Na ja, nachts galoppierten unsere Herzen hin und wieder doch recht unruhig bzw. irritierend taktlos. Aber das gehört dazu, wenn man als Gringo in diesen Höhen herumturnt. Nicht nur die Gringos, auch die Küsten-Peruaner kriegen oft Kopfschmerz und das Kotzen, wenn´s auffi geht. Wir haben getrunken wie die Weltmeister, außer Alkohol. Der war tabu. Dafür waren wir trunken vor Erstaunen, Begeisterung und Ehrfurcht angesichts der grandiosen Natur von Peru, die sich in immer neue Gewänder hüllte. Meterhohe Kakteen mit sonnengelben Blüten, schneebedeckte Himmelsstürmer, rauchende Vulkane, zischende Geysire, Sand- Fels,- und Geröllwüsten, azurblaue Lagunen und Seen, satt grüner Tropenwald mit Palmen, Blütenbäumen und Urwalddickicht, schneeweiße Salinen aus der Inkazeit … dazu die bunten Märkte mit Gemüse, mehrere Sorten der 90 verschiedenen Kartoffelarten, hunderten von Früchten, Hüten, Fleisch, Fisch, Brot und Gewürzen. Und natürlich CUY, das Nationalgericht. Knusprig braun gegrilltes Riesenmeerschweinchen! Ob lecker oder nicht, jeder Gaumen reagiert anders. Unsere Geschmacksknospen bevorzugten gefüllte Forellen und saftige Alpaca-Steaks.

Interessant, ungewöhnlich und einzigartig: Auf dem Abendmahl-Gemälde in der Basilica von CUSCO wird CUY präsentiert. Das Gemälde lockt viele Besucher aus aller Welt. Themenwechsel! Ich liebe die wolligen knuffigen Alpacas. Lebendig! Sie sind einfach süüüüß. Würde gern eines mitnehmen. Klaro, die Lamas mit ihren langen Hälsen sind auch eindrucksvoll, speziell die Jungtiere, doch nicht geht über ein Alpaca. Oder doch? Vielleicht buntgefiedertes Federvieh wie Papageien, schwirrende Kolibris, schwarz-weiße Condore, gelbschnablige Pelikane und Riesen-Meeresschildkröten, Delphine, Seelöwen, Schwertfische oder gar Wale?

Das buchstäbliche High-Light aber war der Besuch vom Machu Picchu, dem mystischen Wahrzeichen von Peru. Eine Inkastätte hoch oben auf einem Felsplateau im Tropenwald, inmitten rundgipfeliger Bergkuppenriesen, die mit ihrer dichten Vegetation den heiligen Ort schützten. Nebelschwaden wirbeln im frühen Sonnenlicht wie tanzende Geistwesen aus den Baumkronen hervor, untermalen das Geheimnisvolle und Spirituelle dieses Ortes. Ich erklettere den felsigen Pfad zum Sonnentor, dem Ort, wo auch noch in unserem Jahrhundert dienstags und freitags schamanische Zeremonien abgehalten wurden. Man sagt, an diesen Tagen schlägt das spirituelle Herz des Machu Picchu. Heutzutage treffen sich die Weisen dort nur noch zu bestimmten Anlässen. Der Platz schenkt eine grandiose Aussicht auf die dreihundert Meter tiefer gelegene Inkastadt, ist nur von wenigen Touristen belagert. Die meisten wuseln mit ihren Führern gruppenhaft inmitten der Ruinenstadt, scheuen den einstündigen sonnendurchglühten Aufstieg zum Sonnentor.

Doch egal wo, die magische Kraft des Ortes, seine Jahrtausende alten Geheimnisse, seine spirituelle Energie, die Inka-Lebensphilosophie und ihr himmlische `Draht´ zu Firmament und Sternen berühren jede Zelle meines Seins, verzaubern mich – nachhaltig. Als ein vierfacher Regenbogen sich scheinbar unendlich über die Stätte erstreckt, verschlägt es mir den Atem vor Glück. Welch ein Wundervoller Tag … Welch ein faszinierendes Land.

Peru – wir kommen zurück.


ECUADOR

VILCABAMBA – DSCHUNGELROUTE – LAGO AGRIO

Der Puls von Südamerika. Das Herzstück. Klein, aber oho … Ein grandioses Land. Für uns die Nummer Eins. Warum? Wieso? Weshalb? Viele Fragen. Doch ich muss eine Antwort schuldig bleiben. Es ist ein Bauchgefühl, vielschichtig und vielseitig – entstanden aus vielerlei persönlichen Erlebnissen und intensiven Begegnungen unterschiedlicher Art und dem damit verbundenem Wohlgefühl. Der Charme, den das Ländle auf uns ausübte, hat rein gar nichts mit touristischen Angeboten oder spektakulärer Natur zu tun. Da sind andere Länder wie Peru, Argentinien oder Chile sicher nicht zu toppen.

Der erste Eindruck, die ersten Augen-Blicke in dem Ort Vilcabamba im Südosten Ecuadors – auch bekannt als Allee des langen Lebens – legten die ersten Grundsteine für die innere Freude, die sich Tag für Tag steigerte. Wir fühlten uns willkommen, fühlten uns zuhause in der Fremde. Ein eigenartiges Gefühl. Doch treffend. Entscheidend dazu beigetragen hat auch die Crew von der Lodge Izhcayluma Peter, Dieter und Raik. Das weitläufige Anwesen mit eigenen Wanderwegen durch dichtes Dschungelgrün ist ein echtes Kleinod in der sonst eher wüstigen Landschaft. Flora und Fauna bestechen mit einer herrlichen Farbenpracht. Die Pflanzen mit einer Fülle blumiger Facetten und Düften, die Vögel mit buntem Gefieder und Schnabelgebrabbel in allen Tonlagen.

Vilcabamba – ein Ort der Exotik und des internationalem Flairs. Ein Aussteigerparadies für Jung und Alt. Männer, Frauen und Kinder jeglicher Nationalität schlendern neben einheimischen Hundertjährigen über die Plaza, genießen die schattigen Plätze oder bummeln vor den kleinen Lädchen und Restaurants, die mit einer spektakulären Bandbreite von indischen Hippy-Klamotten, selbst kreiertem Schmuck und Cremes, Organic Food, Bio-Smoothies und Schokoträumen locken. Es gibt ökologische Kommunen, Spiritualität jeglicher Art, Haziendas und Märkte. Nahezu alles, was Herz und Seele erfreut.

Nach vier Wochen Urlaub in Vilcabamba hielt uns nichts mehr. Wir wollten Ecuadors Dschungelstrecke erobern bis hoch zum kolumbianischen Grenzübergang San Miguel. Per 4x4 auf abenteuerliche Pisten. Per pedes auf schmalen Pfaden durch dichten Urwald mit wilden weißen und rosa Orchideen, Handteller großen blauen Schmetterlingen, beißwütigen Moskitos und anderen Flatter- und Kriechtieren. Wir hüpften ausgelassen in die kühle Gischt brausender Wasserfälle, swingten nahe dem Dschungeldorf Puyopomgo am Indichuris Mirador in achtzig Meter Höhe an einem Seil mit Schaukelbrett über Amazonien, besuchten eine Missionar Station und mit Kanubesitzer Victor das Gebiet der Rescue-Tierhilfe AmaZOOnica am Rio Arajuno. Wir bestaunten Höhlen aus Inka-Zeiten und rollten durch Dörfer einheimischer indogener Bevölkerung.

Wir lebten mit Moises, Fanny und ihren zehn Kindern flussnah an einer einsamen Piste im Nirgendwo mit dem tollen Namen Nuevo Paraiso, teilten ihren Lifestyle hautnah. Sie gehören zu dem Stamm der KISHUANS. Wir besuchten die dortige Dorfschule mit Moises – er ist Lehrer – und schwitzen mörderisch beim Aufstieg mit Sohn Michael in hohen Gummistiefeln und schwungbereiter Machete zu der Familien Kakao Plantage auf hügeligem Buschland. Wir lernten vieles über Kakao-Anpflanzung, Ernte, der Not der Pflanzer wegen drastisch fallender Preise und der fast mörderisch schweißtreibenden Arbeit, die Ernte auf dem eigenen Rücken oder dem eines Mulis, wenn vorhanden, in die Ebene zum Haus zu schleppen.

„Warum baut ihr keinen Kaffee an“, Walther´s Frage? „Da gibt es fast gar keinen Verdienst mehr“, Michaels leise Antwort. Die Nahrungsmittel für den täglichen Bedarf der Familie wachsen als Früchte wie Papayas an Bäumen, als Eier in Hühnern oder werden angepflanzt wie Kochbananen, Mais und Yucca – das Grundnahrungsmittel. Die Yuccawurzel wird ausgegraben, als Mehl verarbeitet, dann als Brot, Küchlein oder gekocht wie Kartoffeln verspeist. Auch Chicha, das Bier, wird aus Yucca gewonnen, oft fermentiert durch stundenlanges Einspeicheln der Wurzelstücke zu Brei. Traditionell ist dieses nur älteren Frauen erlaubt. Da sich jeder Speichel individuell zusammensetzt schmeckt auch das Bier unterschiedlich. Ich habe nur einen Schluck probiert. Walther war unerschrockener. Er hatte schon Erfahrung in Peru mit Chicha-Genuss. In zivilisierten Gegenden wird der Yuccha-Brei heute eher statt mit Speichel mit Hefe vergoren.

Nach vier Wochen brütender Dschungel Hitze zwischen 35 und 40 Grad rollten wir im Dezember in der Großstadt Lago Agrio ein. Nach einem Nachmittag am hoteleigenem, mit Weihnachtsdekoration geschmückten Swimmingpool, und einer Stunde Vorweihnachtshektik in der City entflohen wir den Betondschungel der Stadt mit seinem dröhnenden Konsum-Disney-Weihnachts-Flair und Tannenbäumen aus unzähligen Bierflaschen früh am nächsten Morgen gen Dschungel, gen CUYABENO LODGE. Trusty blieb zurück hinter den Mauern des bewachten Hotel-Parkplatzes. Ein Abenteuer wartete. 180 Minuten per Bus, ein kleiner Lunch und vier Stunden per Kanu auf schmalen, sonnenlichtarmen Wasserwegen, breiten und träge fließenden Strömen und einer magischen Lagune, in der Bäume majestätisch ihre Kronen dem Licht entgegenstreckten oder sich der Seeoberfläche zuneigten, um sich zu spiegeln – fest verwurzelt im Wasser. Fast surreal, der Anblick, wären da nicht die spielerischen rosa Delphine, die kreischenden oder brüllenden Affen, das träge Faultier im Astgewirr und Hunderte von Vogelstimmen und ihre Flugkünste gewesen.

„Wow“! Walther jubiliert beim Anblick unzähliger blühender Riesen-Bromelien, mit denen sich die Bäume schmückten. „Und so viele Epephyten … Die gibt´s bei uns auf dem Baumarkt …! Ich bin ja so was von begeistert. Toll.“

Toll war auch der Empfang, das Essen, die Betten mit den Himmelbett-Moskitonetzen und Gilver, unser Führer. Er war im Dschungel aufgewachsen, kannte sämtliche Tiere, ihre Geräusche und liebte den Dschungel. Diese Liebe und Respekt vermittelte er uns hautnah. Unser Nachtspaziergang im Dickicht des Dschungels, mondlos und grottendunkel, nur mit Taschenlampen bewaffnet, schenkte uns einzigartige Augen-Blicke mit Taranteln jeglicher Größe, tödlich giftigen bunten Winzlings-Fröschen und Schlangen in genial designerten Häuten, im Taschenlampenlicht reflektierende silbrige Spinnennetze jeglicher Größe bis zu 200 Bewohner pro Netz. Krönung der Nacht aber war die Cayman-Mami mit ihren fünf `niedlichen´ Kiddies. Letztere waren nur fünf Meter von unseren Gummistiefeln entfernt. Ihre Augen reflektierten wie Lampen in der Nacht, die der Mami wie zwei Monde.

Am Äquatorpunkt, gekennzeichnet durch einen Stein mit Inschrift, löschten wir alle unsere Lampen und lauschten in völliger Dunkelheit den fremdartigen nächtlichen Geräuschen. Unglaublich … beeindruckend. Ja, die nächtliche Wanderung hatte es in sich. Ging tief unter die Haut – wie auch die Erlebnisse anderer Tage. Vor dem Sonnenaufgang, vor dem Sonnenuntergang, danach … wir waren auf Wasserwegen und zu Fuß unterwegs, schwammen vom Kanu aus mit den Delphinen, eroberten oft mit Herzklopfen den Urwald, der uns unerwartet mit einem fantastischen Glanzpunkt überraschte. Glanz- Punkt? Falsch. Gilver, der uns aus Sicherheitsgründen immer etwas vorausging, drehte sich plötzlich aufgeregt um, sein Gesicht strahlte. „Schnell. Schnell. Eine Anakonda. Was für ein Glück. Sie ist schwanger, sucht einen Platz zu Gebären.“ Ich glaube mein Mund stand offen vor lauter Staunen angesichts der sechs Meter langen blauschwarzen baumstammdicken Anakonda, die sich nur wenige Meter vor unseren Augen bedächtig ihren Weg zu einer Höhlennische bahnte und sich dort akrobatisch zusammenrollte, während ihre Augen uns fixierten und ihre Zunge hektisch züngelte. Mir war unbegreiflich, wie ihr dies Einrollmanöver gelang, ja, wie sie ihre meterweit entfernte Schwanzspitze überhaupt im Blick haben konnte. Wahnsinn. Nie werde ich diesen Moment vergessen. Er hat sich für alle Zeiten in meine Netzhaut gebrannt. „Deswegen sind wir hier ..“, Walther´s fast geflüsterter Kommentar. Recht hat er.

Wir haben noch eine Tages-Kanu-Tour tiefer in das Dschungelgebiet gemacht und dort lebende Einheimische besucht, mit ihnen gegessen und getrunken und über ihr Leben erfahren. Ihr Lebensraum wird leider immer bedrohter … durch geldgierige Politiker und Geschäftsleute.

Am letzten Tag, kurz vor unserer Abfahrt per Kanu zurück in die zivilisierte Welt, rannte ich nochmal auf unser Zimmer zum Pinkeln. Ist ja ein weiter Weg im Kanu. Und aussteigen zum Entwässern geht ja nun mal gar nicht. Also setzte ich mich eilig auf die Klobrille, um in Sekundenschnelle mit einem lauten Quieker und einem kleinen Luftsprung emporzuschnellen. Warum? Ein handgroßer Frosch hatte es sich im Toilettenwasser gemütlich gemacht, fühlte sich von mir gestört und macht einen Riesensatz Richtung … na, wohin wohl? Später hab ich auch gelacht. Aber erst später.

Zurück in der brutalen Realität der Stadt Lago Agrio und des Weihnachtsstresses hatten wir Mühe uns zu akklimatisieren, sehnten uns zurück nach Ursprünglichkeit und Natur. Nach Entschleunigung. Doch unser Visum lief am nächsten Tag ab und wir mussten über die Grenze. Auf nach Kolumbien. Am 23.Dezember rollte Trusty vom Hotelparkplatz, rollte mit uns einem unbekannten Land entgegen? Was uns wohl erwartete? Zunächst ein Unfall, der die Grenzstrecke für zwei Stunden in beide Richtungen blockierte. Ein Omen …?









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